Sonntag, 27. Juli 2014

SWR 2: Hochsensibel. Highly sensitive.


Sie sind anders als andere und haben den Eindruck, nicht in diese Welt der Tüchtigen, Zupackenden und Erfolgreichen zu passen. Laute Geräusche und grelles Licht sind ihnen unerträglich, in größeren Menschenansammlungen verlieren sie ihre Kraft. Was anderen Menschen Freude bereitet, ist für sie eine Qual: Einkaufszentren, Silvesterfeiern, Betriebsausflüge, Freizeitparks, Bierzelte (die Liste darf beliebig ergänzt werden).

Denn Hochsensibilität bedeutet: Mehr von allem. Hochsensible sehen, hören, schmecken, riechen, empfinden, fühlen und denken mehr, schneller und intensiver. Wahrgenommenes Leid geht ihnen buchstäblich "unter die Haut", sie können sich bis zum Selbstverlust in andere einfühlen, und ihre hoch entwickelten Antennen fangen jede Disharmonie in ihrer Umgebung auf, unter der sie dann oft so leiden, dass sie sich zurückziehen müssen. Auf andere wirken Hochsensible deshalb häufig neurotisch oder arrogant. Ihre Einfühlungsgabe, ihre genaue Wahrnehmung und ihr differenziertes Denken macht sie zu Künstlern, Therapeuten, Lehrern oder Beratern, und dank ihrer feinen Antennen haben sie eine natürliche Begabung für Spiritualität. Aber als unabhängige Geister fühlen sie sich selten in etablierten Religionen mit ihren Machtstrukturen und Dogmen wohl.



Was also ist Hochsensibilität? Die amerikanische Psychologin Elaine Aron erforscht seit den 1980er Jahren sensory-processing sensitivity, also Sensitivität, die von einem Nervensystem verursacht wird, das unablässig Informationen mit all ihren subtilen Details aufnimmt und weiterleitet: Eine angeborene Veranlagung, Informationen gründlicher zu verarbeiten, die ca. 15 - 20 % aller Menschen haben, ohne darum zu wissen.

Im Jahr 2009 war es noch gar nicht so einfach, dem SWR das Thema schmackhaft zu machen. Man war der Ansicht, "Überempfindlichkeit" sei eine Reaktion auf traumatische Kindheitserfahrungen und müsse natürlich therapiert werden. Die Menschen, mit denen ich für meine Sendung "Reizüberflutet. Hochsensible und ihr Alltag" gesprochen habe, lassen sich von solchen Urteilen nicht mehr beeindrucken: Sie haben ungewöhnliche Lebensläufe, stehen zu ihrem Anderssein und wissen, wie sie sich den nötigen Freiraum und die Ruhe erschaffen können, die sie brauchen. Auch Elaine Aron, die ich sehr schätze, kommt zu Wort. Hier kann man die Sendung hören.

3 Kommentare:

  1. Liebe Margrit,

    heute habe ich in Deinem Blog "kategorisiert geschaut", und auch wenn ich Dein Feature schon kenne, werde ich es noch einmal hören. Interessant finde ich es auch bei Hochsensibilität, wenn man sich entschließt kompensatorische Schutzhaltungen wieder loszulassen, die man sich evtl. seit Kindheitstagen angelernt hat. Das Aufgeben dieser Kompensationen
    ( z.B. Hyperaktivität, Ablenkung,"Abstumpfungsmechanismen",schnelles Umlenken in Dialogen,was auch immer) durch Mediation z.B. führt natürlicherweise zu einer erhöhten Empfindsamkeit- man wird quasi seiner Konstitution wieder "treu"- und dies kann ein sehr anstrengender Prozess sein. Eine regelrechte Dünnhäutigkeit....und diese benötigt dann wiederum Schutzraum, sonst kann Achtsamkeit überfordernd sein. Wie siehst Du das?Welchen Schutzraum bietet Deiner Meinung nach die Meditation?

    Ein weites Feld ;-)....


    Liebe Grüße, Taija

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    1. Ja, wer mit der Meditation beginnt, fühlt sich sensibler und durchlässiger als vorher. Deshalb ist es so hilfreich, in einer Gemeinschaft zu praktizieren. Aber letztendlich macht Meditation uns stabil. Dann sind wir immer noch (hoch-)sensibel, aber es ist kein Problem mehr. Ich schreibe einen Blogbeitrag dazu, ja? Nächste Woche. Liebe Grüße.

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  2. Sehr, sehr gerne. Denn was diese Themen-Verknüpfung anbelangt, bist Du die erste, die mir einfällt :-).
    Es ist ja auch, wie in Deinem Feature zu hören, schwer jemanden zu fragen, der/die es nicht nachempfinden kann.
    Liebe Grüße aus München!

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