Im Urwald schreien die Affen und Vögel, ab und zu kommt ein Wolkenbruch, und irgendwo, versteckt in einer Höhle, schläft ein Löwe.
Er schläft da genau fünf Minuten, aber dann wacht er auf. Das ist nicht verwunderlich. Wer wacht nicht auf, wenn er den fabelhaften Knabenchor Dagilélis aus Litauen hört, hier mit "The Lion Sleeps Tonight".
Alle, bei denen das Video nicht angezeigt wird, finden es hier: https://www.youtube.com/watch?v=tGxyoRuslpA&list=RDtGxyoRuslpA&start_radio=1
Ich wünsche euch sonnige Tage. Verschlaft sie nicht, der Sommer ist kurz.
In der schwülen Stille zuerst ein leises Wisch-Wisch. Als würde ein Jazz-Percussionist mit den Besen über ein Becken streichen. Was für eine Musik soll das werden? Ein schwermütiger Blues, etwas Dunkles, das aus der Tiefe kommt und einen in die Tiefe lockt? Will man da hin, so antriebslos, wie einen die Hitze gemacht hat? Die Besen wischen schneller, ein Stick klopft auf etwas Tönernes (ein Instrument aus Afrika? der Südsee?), dann setzt eine gezupfte Saite ein, im Klang so etwas zwischen Gitarre und Cello. Eine straff gespannte Saite, sie wird doch hoffentlich nicht reißen?
Der Percussionist legt Tempo zu, die anderen ziehen mit. Als Akzent schleicht sich leise im Hintergrund ein Patschen ein, als werde nasse Wäsche auf einem Stein ausgeschlagen. Ein Geräusch aus einer sehr fernen Zeit in einem sehr fernen Land. Der Wäscher prescht vor. Er patscht, der andere wischt, der dritte plingt. Aufregende Polyrhythmik entsteht, sie grooven sich ein, probieren ein Call and Response, einigen sich kurz auf eine Basis, aus der sie aber gleich wieder ausbrechen.
Und dann setzt endlich die Trommel ein wie eine Erlösung. Alles Bisherige war nur das Präludium, eine Vorbereitung auf das Eigentliche: den donnernden rasenden Wirbel.
Das ist bester Free Jazz, von Könnern ausgeführt, und von den Menschen fällt im Handumdrehen die Trägheit der schwülen Tage ab. Sie eilen, sie rennen (regen: sich, Verb trans.; rege: sein, werden, Adj., Adv.). Bunte Schirme erblühen auf der Straße. Hunde zerren ihre Menschen hinter sich her, Radfahrer stülpen sich Plastiktüten auf den Kopf, Kinder hüpfen durch Pfützen.
Der Wäscher aus dem fernen Land verabschiedet sich als Erster und sammelt seine Tücher ein. Der Trommler wischt zum Abschied noch mal lässig über das Becken. Und während die beiden davonbummeln, zupft und plingt der Saitenmusiker in allmählich versiegendem Rhythmus leise nach.
Vor vielen Jahren verbrachte ich einmal das Weihnachtsfest im Intersein-Zentrum. Draußen lag der Schnee einen Meter hoch, drinnen leuchtete der schön geschmückte Weihnachtsbaum. Es war eine magische Atmosphäre, aber einem jungen Mann, der zum ersten Mal dort Gast war, gefiel sie gar nicht. Er sei, empörte er sich, extra in ein buddhistisches Haus gegangen, um der "christlichen Lüge von der Geburt des Kindes in der Krippe" zu entfliehen. Am nächsten Tag reiste er ab.
Das war schade. Denn was wir in der christlichen Kultur an Weihnachten feiern, ist universal und findet sich in allen Religionen: Wir feiern die Geburt des Lichts. Der tibetische Buddhismus spricht von der Grund-Lichtheit, und die Erfahrung dieser Lichtheit nennt das Zen Erleuchtung.
Das Christentum erzählt dies in einer schönen Geschichte, die wir alle kennen und die im Lukas-Evangelium mit den berühmten Worten beginnt: "Es begab sich aber zu der Zeit ...". Und den Hirten auf dem Felde erschien ein Engel, der sagte: "Füchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird."
Die Geburt des Lichts fand nicht einmalig vor zweitausendvierundzwanzig Jahren in irgendeinem Stall in einer Stadt namens Bethlehem statt, sondern sie geschieht in uns, immer wieder. Wir selbst sind das Licht, und die Weihnachtsgeschichte erinnert uns daran, uns wieder mit ihm zu verbinden. Wir alle kennen die große Freude, die hier verkündet wird. Sie ist ganz nah, und sobald wir uns vertrauensvoll öffnen und ganz und gar im Augenblick sind, leuchtet sie auf. In einer Liebesbegegnung, bei der Geburt unseres Kindes, am Sterbebett eines geliebten Menschen.
Ich wünsche Dir und Ihnen die Erfahrung dieser Freude. Apollo 5, die wunderbare Gruppe aus England, interpretiert "Gaudete" so mitreißend, dass ich es mit euch teilen möchte. Dieser jubelnde Schluss-Akkord enthält eigentlich alles, was es über Weihnachten zu sagen gibt.
Es gibt eine Legende über König Salomon, diesen weisesten der Könige in der Bibel. Wenn er die Nachricht von einer Niederlage oder dem Tod eines Getreuen erhielt und sein Hofstaat in Panik geriet, drehte er an seinem Ring, und sofort wurde er ruhig und gelassen. Eines Tages fragte ihn sein Sekretär, was denn das Geheimnis dieses Ringes sei, er hätte auch gerne so einen, um so gelassen zu werden wie der König. Salomon zog den Ring ab, und der Sekretär las die in die Rückseite eingravierten Worte: "Auch dies wird vorübergehen."
Die Ereignisse des 6. November - vor allem das in meinem Vaterland, aber auch das in meinem Mutterland - können viel in uns bewegen. Es gehen gerade zahlreiche Mails über den Atlantik, in denen von Besorgnis, Angst, Wut und Resignation die Rede ist. Ich verstehe das. Aber wir haben die Wahl, wie wir auf die Veränderungen antworten wollen.
Die Künstler kennen die Antwort, die wir jetzt alle geben sollten: Lass dich nicht beirren. Du hast eine Aufgabe: Die Menschen zu ermutigen, zu inspirieren, zu stärken. Du bist wichtiger denn je.
Sing gently, always, sing gently as one. May we stand together, may our voice be strong.
Der amerikanische Komponist Eric Whitacre hat das, was ich jetzt für wichtig halte, schon vor Jahren in Musik ausgedrückt. Und meine Lieblings-Gruppe Voces8 hat es wunderbar interpretiert.
Der Herbst ist da, es regnet, es stürmt. Da brauchen wir dringend Energie. Ich habe vier fabelhafte Wikinger gefunden, mit denen könnten wir uns ums Feuer setzen. Na gut, es ist nur eine Lampe im Studio, aber was die vier Jungs auf ihren Saiten entfesseln! Die sitzen da so lässig herum in ihren Hemden, aber das täuscht: Zusammen sind sie weltberühmt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Rune Tonsgaard Sørensen: violin, harmonium. Frederik Øland: violin. Asbjørn Nørgaard: viola. Fredrik Schøyen Sjölin: violoncello. Zusammen: The Danish String Quartet.
Heute ist meteorologischer Frühlingsanfang, bei uns in Freiburg sind 21 Grad, die Sonne scheint, meine Rose hat ein Dutzend Knospen, die Heidelbeere blüht und die erste dicke Hummel hängt - ja, ausgerechnet in der Petersilie. In dem Song "Butterfly" der fabelhaften finnischen Vocal Group Rajaton entfaltet ein Schmetterling zum ersten Mal seine Flügel, ist trunken vor Entzücken über die Sonne, das Licht, den blauen Himmel - die Welt, die er nie zuvor gesehen hat.
Ich wünsche euch lange leuchtende Frühlingstage und die Freude an der Wiederentdeckung der sonnigen Welt.
"Let's talk why" ist ein neuer Podcast, inspiriert und moderiert von zwei Musiker-Freunden von mir, Alessandro Limentani und Christoph Engel. Die beiden sprechen in sechs Doppel-Folgen mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen über ihre Leidenschaft für das, was sie tun. In diesem Teaser stellen sie sich selbst vor, und Christoph findet für ihre Motivation einen Satz, der für Künstler aller Gattungen zutrifft: Sie möchten aus ihrer "Komfortzone ausbrechen und aus dem Nichts etwas Neues erschaffen".
Ich durfte im Sommer die Pilotfolge hören und als Rundfunk-Fachfrau ein paar Anmerkungen dazu machen. Nun ist das erste Interview in zwei Folgen online. Ich finde sie sehr gelungen. Denn dies ist nicht einer der zahllosen Podcasts, in dem Menschen ziellos herumplaudern. Wir dürfen hier Menschen beim Denken zuhören in Gesprächen, die in die Tiefe gehen. Da darf es zu meiner Freude auch mal Pausen geben. (Mein geschätzter Arbeitgeber SWR würde sie sofort rausschneiden. Der Alltags-Hörer ist ständige Berieselung gewohnt. Pause ist für ihn Sendestörung, da schaltet er um zur Konkurrenz.).
Gast der ersten beiden Folgen ist der Pianist und Professor für Liedgestaltung Matthias Alteheld, einer der früheren Lehrer von Alessandro. Drei professionelle klassische Musiker loten die Feinheiten ihrer jeweiligen Metiers aus. Was ist der Unterschied zwischen Gefühl und Empfindung? Warum müssen Pianist und Sänger gemeinsam atmen, und was können Nicht-Künstler von Künstlern lernen? In diesem Gespräch lernen sie eine Menge. Und weil ein Künstler mehr braucht als technisches Können, trägt das Interview den Titel "Musik und Herzensbildung".
Jeden Donnerstag wird eine neue Folge freigeschaltet. Nehmt euch einen Tee, setzt euch in den bequemsten Sessel und hört zu. Es lohnt sich.
Enya singt "O come, o come, Emmanuel", eine Paraphrase eines alten Antiphons, das um die Befreiung Israels bittet. Nicht nur Geiseln müssen befreit werden, auch Herzen.
Ich wünsche euch ein Weihnachtsfest voll Frieden in friedloser Zeit. Ein Fest der inneren Freude, wenn die Anlässe für Freude für euch vielleicht selten geworden sind. Ein Fest der Wärme, wenn es draußen kalt ist. Ein Fest der Ruhe, wenn es stürmt, außen und innen. Ein Fest des Lichts, wenn es in euren Herzen dunkel ist.
Ich wünsche euch, dass ihr den Ort in euch findet, der in der christlichen Tradition das Symbol der Krippe trägt.
Ein magischer Abend: Apollo5 aus London, eines meiner liebsten Vokal-Ensembles, im Konzert in der voll besetzten Kirche St. Martin in Staufen. Wir hörten unter anderem Stücke aus William Byrd's "Mass for Five Voices", das "Virgen Sancta" von Franciso Guerrero, das sehr schöne "This Marriage" von Eric Whitacre und mein Favorit seit vielen Jahren: "Pulchra es" von Ola Gjeilo aus "Northern Lights". Vorgetragen in absoluter Präzision, kristallklar im Ton und mit einer Innigkeit gesungen, die mich noch immer bewegt.
Für alle, die nicht dabei sein konnten, hier Apollo5 mit dem Ubi Caritas von Ola Gjeilo:
Mit "In the Mood for Love" des japanischen Komponisten Shigeru Umebayashi wünsche ich Euch ein schönes, sonniges 😉Osterfest mit Vollmilcheiern, Krokanteiern, Nougateiern, Knickebeineiern, Himbeereiern, Eierliköreiern, Kokoseiern, Zartbittereiern, Fondanteiern und einem Hasen mit Glöckchen.
Mit Apollo 5, einem meiner Lieblings-Ensembles, und ihrem "The Angel Gabriel" wünsche ich Euch allen ein friedvolles, leuchtendes, engelisches Weihnachtsfest.
Wenn wir uns von der Vorstellung freimachen, dass Engel zwingend weiße Flügel haben müssen - wimmelt es dann nicht auf einmal in der Welt von Engeln?
Du findest sicher einen. Vielleicht trägt er Gummistiefel und zieht Dein Auto aus dem Graben. Oder sie stellt Dir eine Tüte Lebkuchen und einen Suppentopf vor die Tür, weil Du krank bist.
Vielleicht aber - also, nur so als Möglichkeit - bist Du selbst ein Engel und hast das noch gar nicht bemerkt??
... Into the
weather you come and you go
In the darkest of nights there’s a sweep and a glow
And a flash that resounds with a sailor’s “land ho!”
And the voyages left behind
The seasons will pass, and the night into day
For all who will leave us, and all who will stay
If time is an ocean, then life is a bay
But it’s better than ever you’ll find… on these little islands in time
These little islands sublime.
Alex de Steiguer - Fotografin, Musikerin -lebt den Winter über allein als Wächterin auf Star Island vor der Küste von New Hampshire. Ich habe über sie hier (klick) geschrieben.
Ich wünsche euch, dass ihr in diesem Winter eure kleinen Inseln inmitten der Zeit findet.
Zu Hause geblieben an Pfingsten. Das Neun-Euro-Ticket in der Schublade gelassen. Den Tankrabatt nicht genutzt. Sich nicht in die Schlange an einem Check-In-Schalter eingereiht.
Es ist still im Haus. Keiner da. Niemand will etwas von dir. Una mattina, nur für dich. Einen Kaffee vielleicht? Ist noch Kuchen im Kühlschrank? Eigentlich hast du keine Lust, deinen Sessel zu verlassen. Da ist die Zeitung, ungelesen. Da sind die Bücher. Du hast die Freiheit, alles zu tun, niemand hindert dich. Du hast die Freiheit, alles zu lassen.
Die Stunden tropfen dahin. Am Himmel ziehen die nuvole bianche.
Von oben rieselten Nebelflocken-Kristalle, und das einzige Geräusch war das Knirschen der gefrorenen Blätter unter meinen Stiefeln.
An den Zweigen hing Feen-Haar.
Die Schönheit der Welt. Die herzzerreißende Schönheit dort draußen. Verschenkt sich einfach so. An uns.
Mit Voces8 und ihrer Interpretation von "Ave Maria, Virgo Serena" von Josquin des Prez wünsche ich meinen treuen Leserinnen und Lesern, Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Retreats und allen mir unbekannten Freundinnen und Freunden dort draußen im großen weltweiten Netz ein Weihnachtsfest der Stille, Wärme und Schönheit.
Wieder einmal die fabelhafte Sarah Lesch, die hier lange nicht zu hören war. Nicht neu, aber aktuell. Melancholie und Hoffnung, Bitterkeit und Trotz, Dunkelheit und Licht gleichzeitig auszudrücken, ohne kitschig zu werden - das muss man erst mal können.
Vielleicht war die Wahrheit erträglich
Vielleicht sind die Schulden egal
Vielleicht sind wir gar nicht so hilflos
Vielleicht haben wir eine Wahl
Vielleicht geht man tanzen
Vielleicht hat man Arbeit
Und versucht, die Angst zu vergessen
Vielleicht hat man heute Nacht jemand verloren
Vielleicht hat man selbst nichts zu Essen.