Seit ich dem Zen begegnet bin, denke ich darüber nach, wie man das Anliegen des Zen und die Erfahrungen, die es ermöglicht, auch anders ausdrücken könnte: als eine Kunst des Lebens, die weder den Buddhismus noch irgendeine andere Religion benötigt, nicht einmal den Begriff "Spiritualität", so dass "Zen" letztendlich auch keine "Praxis" wäre. Meine Bücher sind der Versuch einer solchen Umformulierung. Deshalb bewegt mich die Arbeit des 1929 in China geborenen und später in Frankreich lebenden Schriftstellers, Philosophen und Kalligrafen François Cheng sehr. In poetischer Sprache verbindet er die fernöstliche Philosophie mit dem abendländischen Denken; das Ergebnis ist betörend schön, und man spürt ohne Zweifel: Das ist die Erfahrung einer Wahrheit, die aus der Ganzheit kommt.
"Wenn man plötzlich angesichts einer Naturszene, eines blühenden Baumes, eines Vogels, der unter Schreien auffliegt, eines Sonnen- oder Mondscheins, der einen Moment des Schweigens erhellt, auf die andere Seite der Szene gleitet, jenseits des Vorhangs der Phänomene, hat man den Eindruck einer Anwesenheit, die wie von selbst da ist, zu sich kommt, ganz, ungeteilt, unerklärlich und doch unleugbar; wie ein großzügiges Geschenk, das bewirkt, dass alles da ist, wundersam da, und ein Licht verbreitet in der Farbe des Ursprungs und einen vertrauten Gesang von Herz zu Herz, von Seele zu Seele murmelt."
Das Zen würde dies eine Erfahrung der Erleuchtung nennen.
Das Zen würde dies eine Erfahrung der Erleuchtung nennen.
Für die chinesischen Philosophen, für
Cheng (und das Zen) ist das Universum selbst Bewusstsein, es ist ein
intelligentes Sein, das den Menschen braucht, um sich auszudrücken: "Die Schönheit der Welt ist ein Ruf,
im konkretesten Sinn des Wortes, und der Mensch, das Sprachwesen,
antwortet darauf von ganzer Seele. Es ist, als ob das Universum, wenn es
sich denkt, auf den Menschen wartet, um ausgedrückt zu werden."
François Cheng spricht auch über den Atem (die grundlegende Praxis des Zen) und über "Intersein", die wechselseitige Verbundenheit alles Seienden. Als Poet und Philosoph, ohne religiöse Begriffe zu bemühen. Denn das Thema dieses schmalen, aber unermesslich reichen Buches ist ganz schlicht: die Schönheit. Große Lese-Empfehlung!
Mit Dank an Simon.
François Cheng "Fünf Meditationen über die Schönheit", aus dem Französischen von Judith Klein. C. H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-64526-6